Körper & Psyche»Psychologie © iStock / Nicola Katie Lesezeit: 5 Minuten31.07.2020 Kaum etwas regt unser Gehirn stärker an als Musik, Melodien und das Singen. Und wir können die Heilmethode jederzeit für uns selbst nutzen. Egal, ob wir im Auto Radiohits lauthals mitsingen, beim Staubsaugen Melodien vor uns hin summen oder unter der Dusche unseren Lieblingssong anstimmen: Schon nach kurzer Zeit spüren wir, wie befreiend Singen sein kann und dass wir uns dabei einfach gut fühlen – ob wir die Töne treffen oder auch nicht. Singen sollte jeder, finden wir. Warum? Unsere körperliche und seelische Gesundheit profitiert davon enorm. Wie Singen Ihr Wohlbefinden fördern kann. Beim Singen, und auch beim Sprechen, beanspruchen wir etwa 100 Muskeln – vom Kehlkopf bis zum Bauch. Beteiligt sind unter anderem das Zwerchfell, die Lunge, die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen und der sogenannte Vokaltrakt, zu dem Rachen, Mund und Nase gehören. Hier wird auch unsere Stimme erzeugt: Die im Kehlkopf gespannten Stimmlippen öffnen sich beim Ausatmen einen kleinen Spalt, sodass sie schwingen und wir stimmhafte Töne hervorbringen können. Der Ton wird tiefer, wenn die Stimmlippen entspannter sind, also mehr Platz für die Luft gelassen wird. Die Stimmlage hängt vor allem von der Länge der Stimmbänder ab und wie diese schwingen. Kinder haben zum Beispiel eine höhere Stimme als Erwachsene, weil ihre Stimmbänder kürzer sind. Beim Singen kommt es nicht nur auf die Stimme an, sondern auch auf die Atemtechnik. Professionelle Sänger atmen nicht nur in den Brustkorb, sondern auch tief in den Bauch ein. Wichtig ist die sogenannte Atemstütze, die das Zwerchfell und damit die Atmung kontrolliert. Beim Einatmen wird das Zwerchfell nach unten gezogen, sodass mehr Luft in die Lunge einströmen und dann wieder langsam und kontrolliert ausgeatmet werden kann. Wer singt, stärkt seine Gesundheit – zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Einfluss des Singens auf den Körper und die Psyche beschäftigt haben. Singen ist gesund, weil es unter anderem:
© iStock / praetorianphoto „Das Singen ist zuerst der innere Tanz des Atems, der Seele, aber es kann auch unsere Körper aus jeglicher Erstarrung ins Tanzen befreien und uns den Rhythmus des Lebens lehren.“ Yehudi Menuhin Wir haben uns drei gesundheitliche Aspekte des Singens genauer angesehen: Der Körper produziert nach rund 60 Minuten Singen deutlich mehr Immun-Botenstoffe als zuvor und kann sich so beispielsweise besser gegen Viren und Co. wehren. Zu diesem Schluss kam ein Forscherteam um die britische Biopsychologin Daisy Fancourt. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler des Imperial College London mehr als 190 Speichelproben von Chormitgliedern, die sie vor und nach der Chorstunde entnahmen. Sie fanden unter anderem heraus, dass die Probanden nach der Singstunde deutlich entspannter waren, weil der Spiegel des Stresshormons Cortisol im Vorher-Nachher-Vergleich gesunken war. Zudem fand man eine erhöhte Zytokin-Aktivität im Speichel. Zytokine sind körpereigene Eiweiß-Moleküle, die Informationen zwischen den am Immunsystem beteiligten Zellen austauschen. Das Besondere an der Studie: Unter den Probanden waren auch etwa 70 Krebspatienten. Singen könnte nach Fancourt dabei helfen, die Krebstherapie besser zu durchstehen. Um den Kreislauf in Schwung zu bringen, reichen schon 15 Minuten Singen. Nebenbei verstärkt sich die Atmung und der Körper erhält mehr Sauerstoff. Forscher der schwedischen Universität Göteburg fanden zudem heraus, dass das Herz bei Menschen, die zum Beispiel im Chor zusammen singen, nach einer gewissen Zeit im gleichen Takt schlägt und sich der Herzrhythmus stabilisiert – und das hat wiederum einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System. Singen kann als natürliches Antidepressivum bezeichnet werden. Studien mit professionellen Sängern lassen darauf schließen, dass Menschen, die oft und viel singen, entspannter sind und sich insgesamt besser fühlen. Zum Beispiel haben schwedische Forscher herausgefunden, dass das „Kuschelhormon“ Oxytocin während des Singens vermehrt ausgeschüttet wird. Oxytocin wird beispielsweise auch beim Stillen, bei der Geburt oder beim Geschlechtsverkehr freigesetzt und ist dafür da, Bindungen zu stärken, Vertrauen zu fördern, Angst zu reduzieren und Entspannung zu erhöhen. Auch andere Glückshormone werden beim Singen vermehrt ausgesetzt: Adrenalin, Dopamin, Serotonin und Endorphin steigern unser Wohlbefinden und stimmen uns fröhlich. Sie wollen die gesundheitlichen Vorteile des Singens mehr für sich nutzen? Die folgenden fünf Tipps helfen dabei.
ecancer Medical Science: Singing modulates mood, stress, cortisol, cytokine and neuropeptide activity in cancer patients and carers Frontiers in Psychology: Music structure determines heart rate variability of singers Integrative Psychological and Behavioral Science: Does singing promote well-being?: An empirical study of professional and amateur singers during a singing lesson Jahrbuch Musikpsychologie: Psychische Belastung, Burnout, Perfektionismus, Optimismus, Pessimismus und Erholungskompetenz bei professionellen Sängerinnen und Sängern Kreutz, Gunter (2014): Warum Singen glücklich macht.Gießen Psychosozial Verlag. Bernatzky, Günther/ Kreutz, Gunter (Hrsg.) (2015): Musik und Medizin. Chance für Therapie, Prävention und Bildung. Wien: Springer Verlag. |