Wie lange dauert die Reaktion auf Histamin?

Stand: 10.02.2020 10:42 Uhr  | Archiv

Histamin kommt in vielen Lebensmitteln und im menschlichen Organismus vor. Im Körper aktiviert es als Gewebshormon (Botenstoff) zum Beispiel die Verdauung, senkt den Blutdruck und ist an der Immunabwehr beteiligt. Eine Unverträglichkeit gegenüber Histaminen (Histaminintoleranz, HIT) wird oft als Allergie angesehen, doch tatsächlich ist es eine Stoffwechselstörung.

In Lebensmitteln bildet sich Histamin vor allem bei der Lagerung und Reifung von eiweißreichen Produkten. Bei einer Histamin-Unverträglichkeit funktionieren im Verdauungssystem bestimmte Bakterien und Enzyme wie die Diaminoxidase (DAO) nicht richtig, die Histamin und ihm verwandte Stoffe (biogene Amine) im Darm abbauen sollen. So bleibt zu viel Histamin im Blut und bereitet den Betroffenen Probleme.

Wie lange dauert die Reaktion auf Histamin?

VIDEO: Aphthen: Histamine können Auslöser sein (13 Min)

Symptome für eine Histamin-Unverträglichkeit

Da sie Histamine im Körper nicht richtig abbauen können, leiden viele Betroffene - typischerweise sofort nach dem Essen - unter Bauchkrämpfen, Durchfällen, Übelkeit, Hautrötungen, Schwindel, Herzrasen, mitunter sogar Atemnot und Kreislaufproblemen.

Auch bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen wie etwa kleinen Geschwüren der Mundschleimhaut (Aphthen) spielen Histamine oder histaminfreisetzende Stoffe aus der Nahrung eine wichtige Rolle.

Mögliche Ursachen

Infekte, zum Beispiel Darminfekte, aber auch sehr reichlicher Verzehr histaminhaltiger oder Histamin freisetzender Lebensmittel (sogenannter Liberatoren) können eine Unverträglichkeit hervorrufen oder verstärken. Auch bestimmte Medikamente zum Schleimlösen oder zur Blutdrucksenkung sowie einige Schmerzmittel und Antidepressiva können eine Histamin-Unverträglichkeit fördern.

Diagnostik einer Histaminintoleranz ist kompliziert

Es gibt kein diagnostisches Verfahren, das eine Histamin-Unverträglichkeit nachweisen kann. Selbst der DAO-Wert im Blut gibt darüber keinen Aufschluss, weil die Zusammenhänge sehr komplex sind. Der Weg zur Diagnose führt daher über Diät und Provokation. Im ersten Schritt müssen aber zunächst andere Krankheiten ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome hervorrufen. Dazu gehören vor allem Colitis ulcerosa, Zöliakie, Reizdarm-Syndrom (RDS) oder Krebs. 

Dann folgt die eigentliche Diagnostik durch systematisches Weglassen bestimmter Nahrungsmittel über mehrere Wochen und anschließende Provokation durch gezielten Verzehr dieser Nahrungsmittel. Reagiert der Körper darauf, steht die Diagnose fest.

Ernährungstagebuch hilft bei der Diagnostik

Unterstützung durch Experten

Die Menge an Histamin, die Menschen mit Unverträglichkeit beschwerdefrei aufnehmen können (Toleranzschwelle), ist individuell verschieden. Am besten ist es, für einige Wochen ein Ernährungstagebuch zu führen. Darin wird notiert, was gegessen und getrunken wird und ob danach Beschwerden auftreten. Eine Ernährungsfachkraft kann helfen, die individuelle Histamin-Verträglichkeit festzustellen und einen Kostplan zu entwerfen, der zu den persönlichen Essensvorlieben passt. Grundsätzlich sollte eine Ernährungsumstellung am besten mit dem Hausarzt oder einem Ernährungsmediziner besprochen werden.

Medikamente zur Linderung der Symptome

Lässt sich der Verzehr histaminhaltiger Nahrungsmittel einmal nicht vermeiden, können Antihistaminika und Cromoglicinsäure die Symptome lindern. Auch die Einnahme von Diaminoxidase (DAO) in Kapselform mit den Mahlzeiten kann hilfreich sein.

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Die Ernährungs-Docs | 10.02.2020 | 21:00 Uhr

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Allergie

Bei der Histaminintoleranz besteht wahrscheinlich ein Missverhältnis zwischen dem Angebot und dem Abbau von Histamin. Dieses Ungleichgewicht ruft eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome hervor, die in erster Linie durch histaminarme Ernährung therapiert werden. Da die Symptome sehr vielfältig sind, ist es wichtig, vorab verschiedene Diagnosen auszuschliessen.

Ursachen und Auslöser

Histamin gehört zur Gruppe der biogenen Amine. Dies sind biologisch aktive Substanzen, die wichtige Funktionen im Körper wahrnehmen. Sie dienen etwa als Botenstoff bei einer allergischen Reaktion, regulieren den Blutdruck oder haben einen Einfluss auf die Magen-Darmbewegungen.

Die Ursache einer Histaminintoleranz ist bis heute nicht genau geklärt. Es wird angenommen, dass die Erkrankung durch ein Missverhältnis zwischen dem Angebot an Histamin und der eingeschränkten Aktivität der Histamin-abbauenden Enzyme Diaminoxidase (DAO) und Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) entsteht.

Als Hauptauslöser für Beschwerden wird eine hohe Zufuhr von Histamin über die Ernährung vermutet. Histamin kommt sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln in unterschiedlich hohen Konzentrationen vor. Reifungs- und Gärungsprozesse beeinflussen den Histamingehalt. Je frischer das Nahrungsmittel oder das Gericht, desto besser wird es im Allgemeinen vertragen.

Symptome

Bei der Histaminintoleranz handelt es sich um ein Krankheitsbild mit ganz unterschiedlichen Symptomen. Diese sind häufig unspezifisch und treten vorwiegend während und nach dem Essen auf.

Typisch sind etwa:

  • Plötzliche Hautrötungen (Flush-Symptomatik)
  • Juckreiz und Rötungen am Körper
  • Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen,
  • Blutdruckabfall, Schwindel, Herzrasen
  • Bei Frauen: Menstruationsbeschwerden, rinnende Nase, chronischer Schnupfen
  • Kopfschmerzen, Migräne, rote Augen, geschwollene Lippen

Diagnose

Eindeutige Testverfahren zur Diagnosestellung gibt es leider noch nicht. Häufig werden Bluttests und / oder Urintests empfohlen zur Bestimmung der Diaminoxidase oder des Histamins im Blut. Diese Testverfahren haben sich wissenschaftlich als nicht aussagekräftig herausgestellt und werden nicht zur Diagnosestellung empfohlen.

Da die Symptome unspezifisch sind, müssen als erstes Nahrungsmittelallergien sowie Nahrungsmittelintoleranzen wie Laktoseintoleranz, Zöliakie oder Fruktosemalabsorption und weitere symptomatisch verwandte Diagnosen ausgeschlossen werden. Das Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuch kann dabei wichtige Hinweise bieten.

Besteht der Verdacht einer Histaminintoleranz weiterhin, wird unter Begleitung einer spezialisierten Ernährungsfachperson versuchsweise eine histaminarme Ernährung durchgeführt. Wenn sich die Symptome während dieser Zeit verbessern, erhärtet sich der Verdacht einer Histaminintoleranz.

Tritt unter der histaminarmen Ernährung keine Besserung der Beschwerden ein, liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Histaminintoleranz vor. Die histaminarme Ernährung soll in diesem Fall wieder aufgehoben werden.

Behandlung

Ist die Diagnose einer Histaminintoleranz mittels versuchsweiser histaminarmer Ernährung erhärtet beziehungsweise gestellt, wird als nächstes die individuelle Verträglichkeit histaminhaltiger Nahrungsmittel ermittelt. Dazu wird die Zufuhr schrittweise erhöht. Am besten mit Unterstützung einer spezialisierten Ernährungsfachperson.

Eine strikt histaminarme Ernährung ist nicht nötig. Bei Bedarf kann das Enzym Diaminoxidase unterstützend kurz vor der Mahlzeit eingenommen werden.

Bei starker Beschwerdesituation kann der Einsatz eines Antihistaminikas sinnvoll sein. Dies muss jedoch mit dem zuständigen Facharzt, der zuständigen Fachärztin besprochen werden.

Nahrungsmittelübersicht

Histaminreiche Nahrungsmittel

Im Internet oder in Büchern existiert eine Vielzahl an Nahrungsmittellisten. Verlässliche wissenschaftliche Messdaten zum Histamingehalt in Nahrungsmitteln gibt es jedoch nur wenige. Denn: Der Histamingehalt wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst und variiert deshalb stark. Zudem spielt die gegessene Menge des histaminhaltigen Nahrungsmittels und die individuelle Toleranzschwelle für Beschwerden eine entscheidende Rolle.

Im Allgemeinen sind Lebensmittel zu meiden, die Gärungs-, Reifungs- oder Fermentationsprozesse durchgemacht haben. Etwa alles mit Alkohol, Essig, Hefe und Bakterien. Dazu gehören Konserven, Fertigprodukte, Halbfertigprodukte, Wein, warmgehaltene oder wieder aufgewärmte Speisen und lang gelagerte Produkte. Je verderblicher und je höher der Gehalt an Eiweiss, desto wichtiger ist es, die frische Zubereitung der Mahlzeiten zu berücksichtigen.

Beispiele für histaminreiche Nahrungsmittel
 

Jegliche Art von Wurstwaren wie Bratwurst, Cervelat, Aufschnitt, Salami, Bündnerfleisch, Mostbröckli, Rohschinken, Schinken, Räucherschinken, Landjäger etc.

Als Konserve, mariniert, gesalzen oder getrocknet Thunfisch (auch frisch), Makrele, Sardinen, Sardellen, Hering, Meeresfrüchte.

Alle Hart-, Weich- und Schmelzkäsesorten (Schweizer Käse enthält deutlich geringere Histaminmengen und wird meist gut toleriert.)

Sauerkraut, Spinat, Tomaten, Tomatenjus, Ketchup, Aubergine, Avocado

Nebst den histaminreichen Nahrungsmitteln können auch sogenannte histaminfreisetzende Lebensmittel zu Beschwerden führen wie z.B. Zitrusfrüchte, Erdbeeren, Schokolade. Auch andere biogene Amine können Beschwerden machen wie z.B. Bananen oder Hülsenfrüchte.

Verträgliche Alternativen

Bis auf wenige Ausnahmen enthalten frische, unverarbeitete Lebensmittel nur geringe Mengen an Histamin und sind somit gut verträglich.

Beispiele für Nahrungsmittel mit geringen Mengen Histamin
 

Frisches unverarbeitetes oder tiefgekühltes Fleisch und Geflügel wie Plätzli, Koteletten, Geschnetzeltes, Gehacktes, Filet etc.

Frische unverarbeitete oder tiefgekühlte Fische wie z.B. Dorsch, Forellen

Frischkäse, z.B. Hüttenkäse, Quark und andere Milchprodukte wie Milch, Rahm

Alle anderen Gemüse- und Früchtesorten, frisch unverarbeitet oder tiefgekühlt.

Zahlen und Fakten

In der Schweiz sind schätzungsweise ein Prozent der Bevölkerung von einer Histaminintoleranz betroffen.

Redaktion: aha! Allergiezentrum Schweiz, in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat. Für Prävalenzzahlen siehe Quellenverweise.