Wie viel Geld um in Rente zu gehen

Politiker und Sozialverbände fordern ein höheres Rentenniveau. Wer in die Rentenkasse zahlt, soll keine Angst vor Altersarmut haben. Wer aber früher in Rente gehen will, muss genau rechen – und früh fürs Alter sparen.

15.02.2017| Update: 15.02.2017 - 13:18 Uhr | von Andreas Toller

Düsseldorf Im Wahljahr 2017 steht den Deutschen ein Rentenwahlkampf bevor. Vor allem die Angst vor Altersarmut dürfte im Ringen um die Wählerstimmen der rund 24 Millionen Rentenbezieher bemüht werden. Nach Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat sind 20,8 Prozent im Alter von 55 Jahren und darüber in Deutschland von Altersarmut bedroht. Als arm gilt dabei, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung hat. Aktuell sind das in Deutschland 5,7 Millionen.

Teile der SPD fordern bereits eine Anhebung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenkasse, also des Renteneinkommens gemessen am Durchschnittseinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge. Derzeit liegt das Rentenniveau bei 47,9 Prozent und würde nach jetziger gesetzlicher Lage bis 2030 auf 44,3 Prozent sinken. SPD-Fraktionschef würde eine Untergrenze von 46 Prozent, besser sogar 48 Prozent festschreiben. Der Sozialverband fordert gar ein Minimum von 50 Prozent. Zahlen müsste dafür größtenteils der Steuerzahler.

Die Debatte ist bereits irreführend. Denn allein mit der gesetzlichen Rente reicht es schon lange nicht mehr, um 60 Prozent Durchschnitteinkommens zu erreichen geschweige denn zu übertreffen. Zum einen lag das Rentenniveau aus den gesetzlichen Renten schon im Jahr 2000 bei knapp 53 Prozent. Zum anderen gilt diese Rentenniveau nur für den sogenannten Standardrentner, der schon 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. 45 Jahre schaffen aber nur die wenigsten.

Im Jahr 2015 gingen in Deutschland 850.000 in den Ruhestand, im Durchschnitt waren sie dabei 64 Jahre alt. Mehr Menschen gingen zuletzt im Jahr 2000 in Rente, damals waren es 878.000 Neurentner. Außerdem waren sie jünger, im Durchschnitt 62,3 Jahre. Für eine reguläre Rente müssen aber Arbeitnehmer ab dem Geburtsjahrgang 1964 bis zum 67. Geburtstag durchhalten.

Kaum ein Rentenversicherungspflichtiger arbeitet also bis zum regulären Rentenalter und die Mehrheit will das auch gar nicht. Frühere Umfragen haben gezeigt, dass die meisten einen Renteneintritt zwischen 55 und 64 Jahren bevorzugen würden – vor allem, wenn sie keine finanziellen Einbußen befürchten müssten.

Für die meisten Frührentner ist diese Vorstellung jedoch utopisch: Ohne finanzielle Einbußen bei der Rente wird es nicht gehen, wenn nicht anderweitig Vermögen oder Ersparnisse vorhanden sind. Wer also vorzeitig in Rente gehen will, muss das frühzeitig planen und vorbereiten. Wie groß sind also die Einbußen bei vorzeitigem Renteneintritt und wie lässt sich die Einkommenslücke beim Übergang in den Ruhestand schließen oder zumindest sinnvoll verringern?

Zunächst stellt sich die Frage nach den Einkommenseinbußen und dem Rentenbedarf im Alter, also nach der sogenannten Rentenlücke. Dabei gilt es, den Anspruch auf eine gesetzliche Rente zu prüfen und soweit wie möglich die Rentenhöhe zu prognostizieren. Die Rente mit 67 soll bis 2030 schrittweise eingeführt werden. Bis dahin muss jeder neue Rentenjahrgang einen Monat länger arbeiten, um die Altersgrenze für die sogenannte Regelrente zu erreichen. 2017 etwa kann der Geburtsjahrgang 1952 im Alter von 65 Jahren und sechs Monaten in Rente gehen. Wer erst 2030 in Rente geht, hat erst mit dem 67. Geburtstag regulären Anspruch auf eine Rente der öffentlichen Versicherungsträger.

Wegen der gestiegenen Lebenserwartung genießen die neuen Rentner ihren Ruhestand allerdings auch länger als je zuvor – zumindest statistisch. Laut Statistischem Bundesamt lag das durchschnittliche Sterbealter für Männer in Deutschland 2015 bei 75,6 Jahren und für Frauen bei 82,2 Jahren. Weil aber die Lebenserwartung kontinuierlich zunimmt, benötigen künftige Rentner eine Altersvorsorge, die bei Männern deutlich länger ausreicht, als die so zu errechnenden zehn Jahre bei Männern.

Zentrale Zahlen zur Rente

Zum 1. Juli 2016 gab es eine Rekordanhebung der Rente: In Westdeutschland stiegen die Bezüge im Sommer um 4,25 Prozent, in den neuen Ländern um 5,95 Prozent. Bis 2019 werden nur noch Erhöhungen jeweils unter 3 Prozent prognostiziert.

Die Rente hinkt den Löhnen somit immer stärker hinterher. Bis 2035 fällt das Rentenniveau von heute 47,8 Prozent nach Berechnungen des Sozialministeriums auf unter 43 Prozent – bis 2045 könnte es auf 41,6 Prozent sinken. Das will Nahles nun verhindern.

Er dürfte nach den vorläufigen Zahlen von heute 18,7 Prozent 2031 auf über 22 Prozent steigen. Der Satz ist nach geltendem Recht auf 22 Prozent bis 2030 begrenzt. Nach den aktuellen Zielen soll er auch bis 2045 nicht über 25 steigen.

Die Reserve der Rentenkasse, die Nachhaltigkeitsrücklage, sank von Juli bis August um mehr als eine Milliarde auf 30,9 Milliarden Euro.

Ein heute 40-Jähriger hat bereits eine Lebenserwartung 79 Jahren, bei den Frauen sind es 83,5 Jahre. Das und die demografische Entwicklung mit einer immer weiter absinkenden Zahl von Beitragszahlern und immer mehr Rentnern sind auch der wesentliche Grund, warum durch die Rentenreformen der vergangenen Jahre das Rentenniveau immer weiter abgesenkt wurde. Politisch gewollt ist deshalb, dass Berufstätige schon möglichst früh und viel intensiver als früher privat vorsorgen.

Wer also schon vorzeitig in Rente gehen will, braucht ein sattes Polster. Das Problem: Er hat weniger Zeit zum Sparen, muss nach Beginn des vorzeitigen Ruhestands aber sehr viel länger mit den Ersparnissen auskommen, sofern er über keine anderen Einkommensquellen verfügt. Spielen wir es für ein Rente mit 60 Jahren einmal durch.

Wer gesund ist und regulär in die Rentenkasse eingezahlt hat, geht beim selbstgewählten Ruhestand mit 60 Jahren zunächst leer aus. „Ein Renteneintritt mit nur 60 Jahren geht heute für die allermeisten Menschen nicht mehr“, sagt Dirk von der Heide, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung. Eine Ausnahme gibt es nur bei Vorliegen einer Schwerbehinderung. Ansonsten gilt: „Wer 1952 oder später geboren ist, kann frühestens mit 63 Jahren vorzeitig in Rente gehen und muss Abschläge bei der Rentenhöhe abhängig von der für ihn gültigen Altersgrenze hinnehmen.“ Wer trotzdem schon mit 60 Jahren aufhört zu arbeiten, muss bis zu seinem 63. Geburtstag auf die gesetzliche Rente verzichten. „Kommt diese dann mit 63, sind die Minderungen wegen der drei Jahre ohne Rentenbeiträge allerdings nochmal deutlich höher“, so von der Heide.

Konkret: für jeden Monat, den der Arbeitnehmer früher in Rente geht und keine Beiträge mehr zahlt, sinkt die staatliche Monatsrente um 0,3 Prozent. Wer ein Jahr vor Erreichen der Regelaltersgrenze Rente beantragt, muss also damit leben, dass die monatliche Rente dauerhaft um 3,6 Prozent niedriger ausfällt. Wer statt mit 67 schon vier Jahre zuvor, also mit 63 Jahren, Rente beantragt, verzichtet auf 14,4 Prozent pro Monat. Im Gegenzug bezieht er zusätzliche vier Jahre bis zum Erreichen der Altersgrenze seine monatliche Rente.

Weil die Abschläge beim vorzeitigen Renteneintritt mit teils deutliche Einbußen einhergehen, versuchen immer mehr Beitragszahler bis zum Erreichen ihres regulären Renteneintrittsalters durchzuhalten. 2015 mussten daher nur noch 23 Prozent der Neurentner Abschläge hinnehmen. 2011 lag dieser Anteil noch bei knapp 58 Prozent. Im Durchschnitt verzichteten die Betroffenen auf 79 Euro monatlicher Rente. Dass diese Werte sich gebessert haben, ist unter anderem auf die neu eingeführte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren zurückzuführen, für die aber 45 Beitragsjahre erforderlich sind.

60 bis 80 Prozent vom letzten Nettoeinkommen anstreben

Wer im vorzeitigen Ruhestand gut zurechtkommen möchte, muss also möglichst früh gegensteuern. Finanzberater wie Christian Lange vom VZ Vermögenszentrum in München empfehlen, je nach sonstigen Vermögenswerten zwischen 60 und 80 Prozent des regelmäßigen Einkommens auch für den Ruhestand anzustreben. Zwar sinken bei älteren Menschen in der Regel die Ausgaben, weil etwa die Kinder aus dem Haus, der Zweitwagen überflüssig und die Hypothek abbezahlt sind. Unterhalb dieses Niveaus ist allerdings zu befürchten, dass die Lebensqualität allzu deutlich leidet – auch wenn nicht gleich von Altersarmut gesprochen werden kann.

Die angestrebten 70 Prozent kann die gesetzliche Rente allein keinesfalls abdecken. Denn gemessen am Durchschnittsverdienst vor Steuern eines Arbeitsnehmers erreichen die Bezüge des so genannten Standardrentners (mit 45 Beitragsjahren ohne Abschläge und vor Steuern) 2016 nur noch eine Höhe von 47,9 Prozent. Gesetzlich garantiert sind bis 2020 nur 46 Prozent, bis 2030 nur 43 Prozent. Wer also beispielsweise heute monatlich 3500 Euro vor Steuern verfügbar hat, erhält nach 45 Jahren Beitragszahlung monatlich 1676 Euro. 70 Prozent vom bisherigen Einkommen als angestrebtes Ruhestandsgeld entsprächen jedoch 2450 Euro. Die zusätzliche Altersvorsorge sollte also eine monatliche Lücke von 773 Euro schließen. Hinzu kommt, dass die Inflation die Ersparnisse von heute bis zum Rentenbeginn zunehmend entwertet, die Kaufkraft leidet. Rechentools wie unser Rentenplaner helfen, das bei der Berechnung der Rentenlücke zu berücksichtigen.

Um die Höhe der gesetzlichen Rente halbwegs solide zu prognostizieren, sollten sich Arbeitnehmer zunächst ihre jährliche Renteninformation der Rentenkasse ansehen. Darin findet sich neben den bereits erworbenen Rentenansprüchen auch eine Prognose der Rentenhöhe – unter der Voraussetzung, dass wie bisher die Rentenbeiträge bis zum Erreichen des Rentenalters weiter eingezahlt werden. Vereinfacht errechnet sich die erreichbare Rentenhöhe nach Beitragsjahren multipliziert mit Entgeltpunkten. Wird in einem Jahr der volle Beitrag eines Durchschnittsverdieners eingezahlt – derzeit 36.267 Euro Gesamtbruttoeinkommen im Jahr – gibt es einen Entgeltpunkt im Gegenwert von 30,45 Euro Monatsrente im Westen und 28,66 Euro im Osten. Nach 45 Beitragsjahren kommt der Standardrentner im Westen so auf 1370,25 Euro. Wer halb so viel verdient, bekommt auch nur die 685,13 Euro. Ist das Einkommen doppelt so hoch, fällt auch die Rente doppelt so hoch aus.

Wer also mit 60 die Arbeit niederlegt und keine Beiträge zur Rentenversicherung einzahlt, bekommt auch keine Entgeltpunkte. Dementsprechend sinkt die Rente. Zusätzlich kommen noch Abschläge für den vorzeitigen Ruhestand hinzu. Der Durchschnittsverdiener, der statt regulär mit 67 schon mit 60 Jahren die Füße hoch legt, verliert also sieben Entgeltpunkte à 30,45 Euro (West) sowie für 48 Monate je 0,3 Prozent der Rente (vier Jahre bis zur Regelaltersgrenze mit 67), insgesamt also 14,4 Prozent der Rente. Zusammen mit den verlorenen Entgeltpunkten summieren sich die Abschläge bei der Rente beim Durchschnittsverdiener so auf mehr als 400 Euro, die Rente läge bei 960 Euro. Aber Achtung: Gezahlt wird sie frühestens ab dem 63. Geburtstag.

Diese Rechnungen sind allerdings nur überschlägig. Es gelten zahlreiche Sonderegeln für freiwillig Versicherte, bei Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze, Schwerbehinderung, Arbeitslosigkeit und vielem mehr. Zudem spielen die Anrechnungszeiten eine wichtige Rolle. Wer es ganz genau wissen will, lässt sich bei der Deutschen Rentenversicherung beraten. Dort ist auch zu erfahren, wie gegebenenfalls fehlende Beitragszeiten oder Anrechnungszeiten gefüllt werden können. Weitere Informationen dazu gibt es unter deutsche-rentenversicherung.de.

Fest steht jedenfalls, dass Sparer, die mit 60 in Rente gehen wollen, ihre Alterseinkommen auf anderem Wege ansparen müssen. Berufstätigen rät Finanzberater Lange daher, möglichst früh mit dem Sparen zu beginnen, damit der Zinseszinseffekt möglichst stark zum Tragen kommt. „Spätestens nach fünf Berufsjahren sollte man mit dem Sparen beginnen. Das macht selbst dann Sinn, wenn das Geld nach Abzug der Inflation keine Rendite bringt, weil zumindest mal ein Kapitalstock aufgebaut wird“, so Lange. „Anstreben sollten Sparer jedoch mindestens eine Rendite von dreieinhalb bis vier Prozent.“

Dazu müssen Anleger allerdings ihr Risiko erhöhen – etwa indem sie festverzinsliche Anlagen um Wertpapiere wie Aktien ergänzen. „Dreieinhalb Prozent Rendite bringen allein die Dividenden im Dax“, weiß Lange. Auch Fondssparpläne hält er für geeignete Vehikel. „Dabei sollten Sparer aber die Produkte zunächst gründlich vergleichen und insbesondere auf die Gebühren achten, die oft sehr hoch sind. Aber im Internet finden sich oft die gleichen Fonds wie bei der Bank zu deutlich niedrigeren Gebühren.“ Diese Sparprodukte versprechen also eine ansehnliche Rendite bei vertretbaren Gebühren. Dafür gibt es später keine lebenslange Rente, sondern nur das angesparte und verzinste Kapital, dass der Ruheständler nach und nach aufzehren kann.

Ein Rechenbeispiel: Wer mit 60 Jahren seinen Ruhestand antreten will und 25 Jahre jeden Monat 1000 Euro zur Verfügung haben möchte, müsste 300.000 Euro angespart haben. Dann wäre das Kapital mit 85 Jahren aufgezehrt. Um so viel Kapital aufzubauen, müsste man 20 Jahre lang jeden Monat ungefähr 750 Euro auf die hohe Kante legen und damit eine Verzinsung von vier Prozent erzielen. Wer diese Summe über 30 Jahre ansparen will, braucht wegen des Zinseszinseffektes hingegen nur etwa 300 Euro monatlich zurücklegen. Langfristig sparen zahlt sich somit vor allem in den letzten Jahren vor Renteneintritt nochmal richtig aus.

Wer nicht nur auf Festgeldkonto und Sparplan setzen will, kann sich auch den staatlich geförderten Produkten zur privaten Altersvorsorge wie Riester-Rente und Basisrente (auch Rürup-Rente genannt) zuwenden. Diese Verträge ermöglichen die Auszahlung der Rente bereits mit 60 Jahren. Der Staat fördert durch Zulagen und Steuervorteile. Die Riester-Rente muss allerdings in der Auszahlungsphase voll versteuert werden, bei der Rürup-Rente wächst in den kommenden Jahren der zu versteuernde Anteil. Die geförderten Modelle sind aber nicht nur kompliziert, sondern oft auch wenig rentabel, weil der Verwaltungsaufwand recht hoch ist. Dafür gibt es staatliche Garantien zum Kapitalerhalt, die ein Wertpapierdepot zum Beispiel nicht bietet.

Sinnvoller ist da schon eher eine betriebliche Altersversorgung, bei der sich der Arbeitgeber an den Sparraten beteiligt. Da die Sparraten vom Bruttogehalt abgebucht werden, sind sie steuerlich begünstigt und senken die Sozialabgaben. Zwar kann der Sparer die erworbenen Rentenansprüche auch zu einem anderen Arbeitgeber mitnehmen, allerdings muss dieser den Vertrag nicht übernehmen, wenn er eine eigene Lösung anbietet. In keinem Fall kann der Sparer vor Erreichen des vereinbarten Rentenalters an das Geld heran. Dafür lässt sich aber ein Rentenbeginn mit 62 Jahren durchaus vereinbaren, vor 2012 abgeschlossene Verträge können sich Betriebsrentner auch schon mit 60 Jahren auszahlen lassen. Sowohl eine lebenslange Rente als auch eine einmalige Auszahlung des Kapitals ist möglich. In beiden Fällen müssen allerdings Steuern und Krankenversicherungsbeiträge in der Bezugsphase gezahlt werden.

Wer also früh in Rente gehen will, muss also enorme Sparanstrengungen unternehmen, wenn er nicht bereits über ein beträchtliches Vermögen oder die Aussicht darauf verfügt. Unmöglich ist es nicht.