Warum stecken sich manche nicht mit corona an

Mehr als 500 Millionen dokumentierte Corona-Infektionen und über sechs Millionen Todesfälle in Folge einer derartigen Infektion: Die Zahlen, welche die Johns Hopkins University rund um die Corona-Pandemie errechnet hat, zeigen das Ausmaß des Coronavirus recht gut. Doch seit dem Aufkommen der Pandemie vor rund zwei Jahren gibt es auch einige Personen, die sich noch nie mit Covid-19 angesteckt haben. Teils trotz engen Kontakten zu Infizierten. Wie ist das möglich? Zwei Studien geben nun Aufschluss.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse einer Studie: Manche Menschen sind gegen Corona resistent. Das haben britische Forscher herausgefunden und in einer Studie in der Fachzeitschrift Nature erläutert, die im November 2021 erschien. Gewisse T-Zellen spielen dabei demnach eine Hauptrolle.

Bei den T-Zellen handelt es sich um weiße Blutkörperchen, die körperfremde Strukturen erkennen und das erworbene Immunsystem darstellen können. Bei der Untersuchung von 58 Klinikmitarbeitern kam das Forscherteam um Leo Swadling auf einen Zusammenhang von Corona-Infektionen und T-Zellen. Die Klinikmitarbeiter bringen ein hohes Infektionsrisiko mit, steckten sich aber dennoch nicht an. 20 der Personen wiesen ein erhöhtes Level von T-Zellen auf, bei 19 wurde von den Forschern ein Immunprotein namens IFI27 entdeckt.

Immunprotein IFI27 als wichtiges Indiz bei einer Corona-Infektion

Das Immunprotein IFI27 soll darauf hindeuten, dass die jeweilige Person bereits Kontakt mit dem Coronavirus hatte. Das wollen zumindest die britischen Forscher herausgefunden haben. Sie haben die Theorie, dass in einem solchen Fall eine Infektion erfolgte, allerdings durch eine Immunreaktion des Körpers abgebrochen wurde. Als einen möglichen Grund sehen die Forscher eine rasante Bekämpfung des Virus durch T-Zellen. So kann sich Covid-19 im Körper nicht, oder kaum, vermehren.

In der Folge entgingen die Probanden dadurch einer Corona-Infektion, da diese abgebrochen wurde. Allerdings könnten laut den Forschern die T-Zellen auch auf eine andere Corona-Infektion als Covid-19 hindeuten. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Erkältung handeln, die saisonal auftritt.

Corona-Resistenz hängt mit T-Zellen zusammen

Im Januar 2022 erschien eine weitere Studie in Nature, die sich mit der spannenden Frage beschäftigt, warum manche Menschen gegen Corona immun zu sein scheinen. Forscher des Imperial College London bestätigten die Bedeutung der T-Zellen - und fanden außerdem eine Evidenz für die Wirksamkeit einer Kreuzimmunität. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass kreuzreaktive Gedächtnis-T-Zellen Personen ohne vorherigen Kontakt mit SARS-CoV-2 vor einer solchen Infektion schützen", fassen die Wissenschaftler ihre Studie zusammen. Für diese hatten sie 52 Personen untersucht, die nachweisliche Kontakt zum Coronavirus hatten, aber von denen sich nur die Hälfte infiziert hatten. Durch Blutproben kamen interessante Erkenntnisse heraus.

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"Unsere Studie liefert den bisher deutlichsten Beweis dafür, dass T-Zellen, die durch Erkältungs-Coronaviren hervorgerufen werden, eine schützende Funktion gegen eine SARS-CoV-2-Infektion besitzen", erklärte außerdem Ajit Lalvani, Seniorautor der Studie: "Diese T-Zellen bieten Schutz, indem sie Proteine im Inneren des Virus angreifen und nicht das Spike-Protein auf der Virusoberfläche." Bedeutet nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie: Wer sich noch nie an Corona angesteckt hat, der hat der Studie zufolge zu hoher Wahrscheinlichkeit ein hohes Level an kreuzreaktiven T-Zellen. Diese sorgen gleichzeitig dafür, dass das Risiko sinkt, einen schweren Verlauf zu erleiden. Die Erkenntnisse der Studie haben einen hohen Wert bei der Weiterentwicklung von Impfstoffen. Und sie zeigen: Wer sich noch nicht mit dem Coronavirus angsteckt hat, der hat wohl keine schlechten Chancen, dass das auch so bleibt.

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ein animiertes Bild von unterschiedlichen Menschen mit Maske und ohne Maske Einige Menschen haben sich bereits mehrfach mit dem Coronavirus infiziert, andere scheinen sich nie anzustecken. Woran kann das liegen? Bildrechte: Colourbox.de

Stand: 27. April 2022, 14:45 Uhr

Alpha, Delta, Omikron - einige Menschen haben sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schon mehrfach mit dem Coronavirus infiziert. Andere lassen es lockerer angehen und sind trotzdem bislang ohne Infektion durch die Corona-Pandemie gekommen. Woran das liegt? Die Wissenschaft bietet verschiedene Erklärungsansätze.

Vor einem Jahr sorgte ein Coronavirus-Projekt des Imperial College London für Diskussion. Für die sogenannte Human-Health-Studie hatten sich 36 junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, weder geimpft noch genesen, absichtlich dem Coronavirus ausgesetzt, indem sie sich geringe Menge einer ursprünglichen Virusvariante des Coronavirus in die Nase tropfen ließen.

Im Anschluss wurden die Probanden für zwei Wochen isoliert, medizinisch überwacht - und immer wieder auf das Virus getestet. Anschließend folgten zwölf weitere Monate der Beobachtung.

Das Erstaunliche an diesem Experiment: Nur die Hälfte der Testpersonen steckte sich tatsächlich mit dem Coronavirus an - und entwickelte entsprechende Symptome. Diese traten im Schnitt etwa zwei Tage nach der Infektion auf - und damit deutlich früher als bei den ersten Infektionswellen beobachtet. Das kann allerdings daran liegen, dass die Probanden genauer darauf achteten, ob sie sich infiziert hatten.

Bleibt die Frage, weshalb sich lediglich die Hälfte der Testpersonen infizierte, während sich das Coronavirus bei der anderen Hälfte der Probanden offenbar nicht vermehren konnte.Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine Rolle spielen könnten genetische Besonderheiten einiger Probanden. Denkbar wäre auch, dass eine bereits vorhandene Immunität gegen verwandte Erreger - zum Beispiel herkömmliche Erkältungs-Coronaviren - sie vor einer Infektion bzw. einem symptomatischen Verlauf geschützt haben.Dabei spielen sogenannte T-Zellen eine Rolle. Das sind spezielle weiße Blutkörperchen, die, teils in Wechselwirkung mit den Antikörpern, Aufgaben der Immunabwehr übernehmen. Sie sind in der Lage, infizierte Zellen im Körper unschädlich zu machen und verhindern, dass sich ein Virus weiter ausbreitet. Durch die T-Zellen entsteht ein immunologisches Gedächtnis. Auch Jahre nach einer Infektion oder Impfung können sie Krankheitserreger wiedererkennen und bekämpfen. Doch das scheint nicht bei allen Menschen zu funktionieren.

Ebenso könnte eine bereits vorhandene Immunität gegen manche Grippeerreger einen gewissen Schutz vor dem Coronavirus bieten. 

Es gibt Menschen, die immun gegen das Coronavirus sind. Ihre Immunität verdanken sie ihrem HLA-Gewebetypus. Der spielt auch in der Transplantationsmedizin eine Rolle und ist dafür entscheidend, ob ein Organspender und Organempfänger zueinander passen.Ein bestimmter Gewebetypus könnte also in der Lage sein, vom Coronavirus befallene Zellen sofort unschädlich zu machen oder eben besonders anfällig für sie zu sein.

Dringen Viren in den Körper ein und infizieren eine Zelle, beginnt die Zelle Interferone zu bilden. Dadurch werden sämtliche benachbarte Zellen in einen antiviralen Zustand versetzt. Bei Kindern funktioniert das besonders gut. Deshalb spielen sie in der Pandemie auch eine eher untergeordnete Rolle.

Illustration: Antikörper um einen Covid-19 Erreger herum. Manche Menschen scheinen immun gegen das Coronavirus zu sein. Der Grund dafür könnte ihr HLA-Gewebetypus sein. Bildrechte: imago images/Science Photo Library

Doch das sind nicht die einzigen Erklärungsansätze dafür, weshalb sich manche Menschen scheinbar weniger schnell mit dem Coronavirus infizieren. Aufgrund der besonderen Studiensituation, der geringen Teilnehmerzahl und des jungen Alters der Testpersonen deckt die Human-Challenge-Studie nicht alle Faktoren ab, die die Wahrscheinlichkeit einer Corona-Infektion beeinflussen könnten.

Für die britische Human-Challenge-Studie sind alle Testpersonen der gleichen Virusmenge ausgesetzt worden. Das ist im Alltag nicht gegeben. Wie groß die Menge der Viruspartikel ist, die man selbst aufnimmt, hängt von der Dauer und der Art der Begegnung mit einem Infizierten ab. Um sich zu infizieren, muss man mit einer gewissen Dosis eines Erregers in Kontakt kommen. Das heißt: Ein bestimmter Schwellenwert muss überschritten werden. Je höher die Viruslast einer infizierten Person ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer Begegnung diesen Schwellenwert zu überschreiten und sich anzustecken. Leiden Menschen unter einer Immunschwäche, ist ihre natürliche Schwelle niedriger.

Ob man sich mit dem Coronavirus infiziert, hängt also auch davon ab, mit wie vielen Viren man in Kontakt kommt, ob dabei die individuelle Schwelle überschritten wird und wie gut das eigene Immunsystem funktioniert.

Junge Frau trägt medizinische Maske, sie hustet. Studioaufnahme isoliert auf rosa Hintergrund Je höher die Viruslast einer infizierten Person, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sich bei einer Begegnung anzustecken. Bildrechte: imago images/YAY Images

Wie gut die körpereigene Abwehr arbeitet, hängt unter anderem von der Tageszeit ab, zu der man mit den Viren in Kontakt kommt. Nachts, im Schlaf, regeneriert sich unser Immunsystem. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit einer Virusinfektion am Morgen und Vormittag geringer als im weiteren Tagesverlauf.

Mit fortschreitendem Alter lässt die Leistung unserer Immunabwehr nach. Ab einem Alter von etwa 65 Jahren kommt die sogenannte Immunoseneszenz zum Tragen, mit der das Infektionsrisiko steigt. Das gibt dem Virus die Chance, sich schneller zu verbreiten.

Frauen haben ein stärkeres Immunsystem als Männer. Deshalb sind sie auch für eine Covid-19-Infektion weniger anfällig und sterben seltener daran. Unter Männern ist der Anteil der Covid-19-Toten überproportional hoch.

Dieses Thema im Programm:Das Erste | BRISANT | 25. März 2022 | 17:15 Uhr