Helmig 2006 der unterschied der einen unterschied macht

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Gender Mainstreaming: das leidige Thema, so beginnt der Beitrag von Elisabeth Helmig vom Projekt: Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendhilfe des Deutschen Jugendinstituts.

Und so manche Leserin und mancher Leser wird beim Titelentwurf des Heftes vielleicht aufgestöhnt haben, werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Hierarchieebenen mit den Leitprinzipien zumindest im Verwaltungshandeln ständig konfrontiert. Das mag auch darin liegen, dass wir vom ‚Doing Gender’, also den konkreten Prozessen, mit denen die Menschen selbst immer wieder neu dazu beitragen, kulturelle Geschlechtsunterschiede herzustellen bzw. zu manifestieren, wenig Systematisches mitbekommen und wissen.

Andererseits ist es schon ungewöhnlich, wenn – wie 1999 geschehen – ein Bundeskabinett ein „neues“ durchgängiges Leitprinzip des Verwaltungshandelns beschließt. Seit 2000 verpflichtet § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) zur Beachtung des Gleichstellungszieles bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen. An der Umsetzung arbeitet seit 2000 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ( BMFSFJ ).

Rekapitulieren wir noch mal worum es gehen soll:

 Während die deutsche Sprache nur ein Wort "Geschlecht" kennt, differenziert die englische Sprache in "sex" (für das biologische Geschlecht) und "gender" (für das soziale "Geschlecht"). "Gender" meint also Geschlecht in der Vielfalt seiner sozialen Ausprägungen. Gender ist folglich auch geprägt von Herkunft, Glaube, Alter, Befähigung und Behinderung, sexueller Orientierung und anderen Merkmalen. Mit ‚gender’ sind gesellschaftlich und kulturell vermittelte Geschlechterbilder gemeint, sozusagen Erwartungen, die die Gesellschaft Frauen bzw. Mädchen und Männern bzw. Jungen zuschreibt. Diese Zuschreibungen sind geschlechtsspezifisch ausgeprägt, d.h., es existieren für Frauen und Männer, für Mädchen und Jungen verschiedene kulturelle Geschlechterbilder. Sie beeinflussen die Menschen bewusst und unbewusst ein Leben lang und führen dazu, dass wir uns – unabhängig von biologischen Geschlechtsunterschieden – als Frauen und Männer oder Jungen und Mädchen unterschiedlich verhalten und vor allem, dass wir oftmals wissen, wie wir uns als Frauen/Mädchen, wie als Männer/Jungen zu verhalten haben.

"Mainstreaming" bedeutet hingegen, ein Thema alltäglich und selbstverständlich zu machen, also in den Hauptstrom ("mainstream") von Prozessen und Hauptaktivitäten zu integrieren. Die Umsetzung des Gender Mainstreaming soll also den Blick schärfen dafür, wie Institutionen, Organisationen und ihre Strukturen zu einer geschlechterdifferenzierenden Diskriminierung beitragen, sie verstärken und verfestigen. Gender Mainstreaming ist also eine neue Strategie zur Erreichung eines alten Zieles. Es geht also darum, die geschlechtsbezogenen Unterschiede sichtbar und veränderbar zu machen sowohl auf der Ebene der Organisations- und Personalstrukturen in den Einrichtungen und Maßnahmen der Erziehungshilfen als auch auf der Ebene der Arbeit mit den AdressatInnen. In den Erziehungshilfen knüpft das Konzept des Gender Mainstreaming an Bemühungen um eine geschlechtsreflexive und geschlechtergerechte Pädagogik an, da es um geschlechtsreflexive, pass- und adressatInnengenaue Angebote geht.

Das vorliegende Heft bilanziert im Thementeil den Stand dieser Veränderungsbemühungen als Strategie und forscht nach den Nebenfolgen. Der Beitrag von Elisabeth Helmig fragt nach der Strukturierung Sozialer Arbeit durch die Kategorie Geschlecht und die damit verknüpften Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe, die die Autorin auf der Ebene der Organisations- und Personalstrukturen in den Einrichtungen und Maßnahmen der Erziehungshilfen als auch auf der Ebene mit Mädchen und Jungen und für die Elternarbeit mit den Müttern und Vätern konkretisiert. Wie dieser Prozess des Gender Mainstreaming in einem Jugendamt gestaltet und wie weit er entwickelt werden kann, erläutert der nachfolgende Münchner Praxisbericht von Hartmut Kick und Gabriele Nuss. In welcher Form das Konzept des Gender Mainstreaming genutzt werden kann, um Leitlinien für die Mädchenarbeit zu verankern und flächendeckend weiterzuentwickeln, schildert anschließend Claudia Wallner am Beispiel einer niedersächsischen Kommune. Welche beabsichtigten und unbeabsichtigten Nebenfolgen aber auch das Einfangen der geschlechtersensiblen Arbeit in einem Verwaltungsverfahren hat, darauf macht uns im letzten Beitrag Heide Funk aufmerksam. Sie weist auf die programmatische Überfrachtung hin, indem sich Entwicklungs- und Umsetzungsperspektiven fast ganz auf Gender Mainstreaming konzentrieren.

Josef Koch

Aus dem Inhalt

Luise Hartwig
Sag mir, wo die Kinder sind, wo sind sie geblieben?

Elisabeth Helming
Der Unterschied, der einen Unterschied macht – Geschlecht als explizites oder implizites Sujet der Kinder- und Jugendhilfe

Hartmut Kick und Gabriele Nuss
Gender Mainstreaming – was ist das? Gender - Mainstreaming - Prozess im Stadtjugendamt München

Claudia Wallner
Standards zur Mädchenarbeit und die Verankerung von Prozessen des Gender Mainstreaming

Heide Funk
Grenzen von Gender Mainstreaming unter den Bedingungen programmatischer Überfrachtung und sozialpolitischer Isolierung

Cornelia Jager
Herausforderung und Faszination – Soziale Arbeit in Michigan

Marie-Luise Conen
Was ist los in der Jugendhilfe? Zwanzig Kritikpunkte

Gerd Leppich
Sexueller Missbrauch unter Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe

Matthias Westerholt
Verwandtenpflege

Ein wesentlicher Aspekt des Marketings ist das Bestehen eines Wettbewerbes, welcher sowohl zwischen Gütern und Dienstleistungen als auch zwischen Ideen und Personen möglich ist. Laut Busch et al. (2008, S. 907) wird die Übertragbarkeit des ursprünglich aus dem kommerziellen Bereich stammenden Marketing-Konzeptes auf den nicht-kommerziellen Bereich schon lange nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. Auf Seite des nicht-kommerziellen Marketings haben sich zwei Bereiche etabliert: das Nonprofit-Marketing und das Social-Marketing (Busch et al., 2008, S. 907).

Nonprofit-Marketing

Eine NPO (Nonprofit Organisation) beabsichtigt in erster Linie, einen Zweck zu erfüllen, und nicht, Gewinne zu erzielen. In weiterer Folge geht es darum, die von den Mitgliedern geforderten Leistungen zu erbringen. Es handelt sich hierbei um eine Nutzer-Orientierung im Gegensatz zur Investor-Orientierung (Helmig, Purtschert & Beccarelli, 2006, S 4.). Zu den Nonprofit-Organisationen werden z. B. Museen, Kirchen, Krankenhäuser und auch politische Parteien gezählt. Alle oben genannten Organisationen bieten eine gewisse Leistung (vgl. das Produkt), für das sie eine Gegenleistung erwarten. Diese Leistung muss in irgendeiner Form an die Zielgruppe kommuniziert werden (vgl. Promotion). Schlussendlich muss das Angebot auf den verschiedensten Wegen den möglichen Interessentinnen und Interessenten zugänglich gemacht werden (vgl. die Platzierung). Dass die Übergänge zwischen Nonprofit-Marketing und Profit-Marketing fließend sein können, sieht man dann, wenn Nonprofit-Organisationen sich auf den Märkten beinahe so wie Profit-Organisationen verhalten, z. B. durch den Betrieb einer systematischen Preispolitik oder das Bestreben, einen finanziellen Überschuss zu erwirtschaften. Auch im Nonprofit-Sektor empfiehlt sich ein wirtschaftlicher Umgang mit Ressourcen, um Effizienz zu sichern und im weitesten Sinne den Fortbestand der eigenen Organisation zu sichern (Busch et al., 2008, S. 908).

Social-Marketing

Der Begriff Social-Marketing (im deutschen auch Sozio- oder Sozialmarketing – nicht zu verwechseln mit Social-Media-Marketing) wird im Allgemeinen im Sinne von Marketing für Ideen verwendet (Busch et al., 2008, S. 909). Bush et al. (2008, S. 912) schlagen folgende Definition des Begriffes „Social-Marketing“ vor: „Social-Marketing ist ein Marketing für Ideen, die in die gegenwärtige Arena gesellschaftlicher Diskussion treten sollen oder bereits getreten sind. Dabei kann es darum gehen, Ideen in der Gesellschaft zu verändern oder zu stabilisieren. Social-Marketing schließt Maßnahmen, die aus den Ideen resultierende Handlungen bewirken oder verhindern sollen, mit ein. Social-Marketing kann von allen Organisationen oder Personen betrieben werden.“ Spätestens an diesem Punkt sollte geklärt sein, dass die Begriffe Nonprofit-Marketing und Social-Marketing nicht deckungsgleich sind. Auch von profitorientierten Organisationen kann Social-Marketing betrieben werden, während die Marketingaktivitäten von Nonprofit-Organisationen nicht nur auf die Vermarktung von sozialen Ideen gerichtet sein müssen. Im sozialen Bereich herrscht ebenfalls ein Wettbewerb, da viele Non-Profit-Organisationen, die Social-Marketing betreiben, auf die Gewinnung von Ressourcen angewiesen sind und um diese Ressourcen kämpfen müssen. Darüber hinaus ist es notwendig, sich als Organisation mit den eigenen Zielen in der Öffentlichkeit zu etablieren. Da die Zahl an Akteuren und Akteurinnen auf dem sozialen Markt stark zugenommen hat, herrscht neben dem Kampf um Ressourcen mittlerweile auch ein Wettstreit um mediale Aufmerksamkeit (Busch et al., 2008, S. 909).

Zuordnung des Politik-Marketing

!Politik-Marketing wird in der Literatur für gewöhnlich dem Non-Profit-Marketing zugeordnet (Bruhn, 2014, S. 36 sowie Kotler, 2011, S. 81). Dem widersprechen Busch et al. (2008, S. 31). Ihrer Meinung nach kann Politik-Marketing keineswegs dem Non-Profit-Marketing zugeordnet werden, da sich Marketing-Manager/innen von politischen Parteien bzw. deren Auftraggeber/innen sehr wohl einen hohen Nutzen erwarten, nämlich politische Macht. Politik-Marketing kann demgemäß eher als eine Sonderform des Social-Marketing verstanden werden. Es wird eine Idee, eine Ideologie oder ein politisches Programm angeboten. Als Gegenleistung erwartet sich die politische Partei bzw. der Kandidat oder die Kandidatin Wählerstimmen (Busch, Fuchs, Unger 2008, S. 30f.).

Quellen:

  • Bruhn, Manfred (2014). Marketing: Grundlagen für Studium und Praxis (12. Auflage). Wiesbaden: Gabler.
  • Busch, Rainer/Fuchs, Wolfgang/Unger, Fritz (2008). Integriertes Marketing: Strategie – Organisation – Instrumente (4. Auflage). Wiesbaden: GWV Fachverlage.

  • Helmig, Bernd/Purtschert, Robert/Beccarelli, Claudio (2006). Nonprofit but Management. In Helmig, Bernd/Purtschert, Robert (Hrsg.). Nonprofit-Management: Beispiele für Best-Practices im Dritten Sektor (2. Auflage). (S. 4.20). Wiesbaden: Gabler.
  • Kotler, Philip/Armstrong, Gary/Wong, Veronica/Saunders, John (2011). Grundlagen des Marketing. München: Pearson.

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