Welche partei regiert in dänemark

Am 1. November waren mehr als vier Millionen Wahlberechtigte in Dänemark dazu aufgerufen, ein neues Parlament (Folketing) zu wählen. Das Mitte-links-Bündnis um die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat die Wahl knapp gewonnen. Nach Auszählung aller im Land abgegebenen Stimmen kam das linksgerichtete Lager auf 90 von 179 Sitze im Parlament.

Der sogenannte "blaue Block" aus Liberalen, Konservativen und Rechtspopulisten kam auf 73 Sitze. Die Partei Moderaterne von Ex-Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen zieht mit 16 Abgeordneten erstmals in den Folketing ein. Die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen will vorerst zurücktreten, um eine neue Regierung zu bilden.

Turnusgemäß hätte die Wahl erst im Juni 2023 stattfinden sollen. Doch Ministerpräsidentin Mette Frederiksen rief Anfang Oktober 2022 vorgezogene Neuwahlen aus. Die sozialdemokratische Regierungschefin war massiv unter Druck geraten, weil sie 2020 die Tötung von mehr als 15 Millionen Zuchtnerzen angeordnet hatte. Das hatte schon damals für Kritik gesorgt und zum Rücktritt des zuständigen Ministers Mogens Jensen geführt. Allerdings bestätigte eine Untersuchungskommission erst im Sommer 2022, dass die Anordnung seinerzeit ohne hinreichende Rechtsgrundlage erfolgte und die damaligen Aussagen der Regierungschefin in dieser Sache "grob irreführend" gewesen seien.

Sozialdemokratische Minderheitsregierung seit 2019

Frederiksen ist seit Juni 2019 Regierungschefin einer mit ausschließlich sozialdemokratischen Ministerinnen und Ministern besetzten Minderheitsregierung. Ihre Partei, die Socialdemokraterne (SD), war bei den Wahlen 2019 zwar stärkste Kraft geworden, hatte aber die absolute Mehrheit deutlich verfehlt. Die SD schloss deshalb nach der Wahl mit weiteren linken und Mitte-Links stehenden Parteien eine Regierungsvereinbarung ab. So einigte sich die SD mit der Sozialistischen Volkspartei (SF), der Einheitsliste (Enhedslisten – De Rød-Grønne) und der sozialliberalen Radikale Venstre (RV) unter anderem darauf, den Kohlendioxidausstoß Dänemarks schneller als vorgesehen abzusenken und den Sozialstaat wieder auszubauen.

Bei einzelnen Themen, etwa im Bereich der Migrationspolitik, wo die Positionen des sogenannten roten Blocks teils stark divergieren, setzte die SD allerdings auf die Unterstützung bürgerlicher oder rechter Oppositionsparteien. Differenzen innerhalb des linken Parteienspektrums gab es auch wegen der Nerz-Tötung: Radikale Venstre hatte Frederiksen mit einem Misstrauensvotum gedroht, falls die 44-Jährige keine Neuwahlen ausrufen sollte.

Parteiensystem

Das Parlament in Kopenhagen wird alle vier Jahre in personalisierter Verhältniswahl gewählt. Es besteht aus insgesamt 179 Mitgliedern, von denen jeweils zwei von der Bevölkerung der Faröer-Inseln und zwei in Grönland gewählt werden.

Seit 1909 hat in Dänemark in Folge der Parteienvielfalt keine Partei allein die Mehrheit im Parlament gehabt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Sperrklausel für den Einzug in die Abgeordnetenkammer mit 2 Prozent niedrig ist, was bislang zu einer großen Zahl an Fraktionen im Folketing geführt hat.

2019 löste Frederiksen mit 41 Jahren als jüngste dänische Ministerpräsidentin Lars Løkke Rasmussen von der liberal-konservativen Partei Venstre im Amt ab.

Die Sozialdemokraten wollen sozialpolitisch breite Schichten entlasten. Im Bereich Klimaschutz soll unter anderem Dänemarks Landwirtschaft ökologischer und das Fliegen verteuert werden.

Die liberal-konservative Venstre – Danmarks Liberale Parti (V) war 2019 zweitstärkste Partei geworden. Die Partei stellte in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach den Ministerpräsidenten, ebenfalls in einer Minderheitsregierung.

Die größte Oppositionspartei Venstre steht für eine striktere Ausgabenpolitik und weniger Ausgaben für sozialpolitische Maßnahmen. Die Partei unterstützte die Regierung bei der Verschärfung der Flüchtlingspolitik. Einem 2021 beschlossenen Gesetz zufolge sollen Asylbewerber künftig in Drittländern auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge warten und auch zwangsweise dorthin ausgeflogen werden können. Dänemark unterzeichnete im September ein Abkommen mit Ruanda über die Schaffung von Asylzentren.

Spitzenkandidat der Venstre war Jakob Ellemann-Jensen. Ein Angebot der Sozialdemokraten nach der Wahl eine lagerübergreifende Regierung zu bilden, lehnte er mit Verweis auf die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepte ab. Dem Mitte-Rechts-Block zugerechnet wird auch die Konservative Volkspartei (Konservative Folkeparti). Die von Søren Pape Poulsen geführte Partei hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die staatliche Verwaltung zu verschlanken und effektiver zu machen.

Dem Mitte-Rechts-Block, dem sogenannten blauen Lager, werden auch mehrere rechte Parteien zugerechnet, so etwa die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF). Eine Konkurrenz für die DF könnte die Danmarksdemokraterne werden. Die ehemalige Integrationsministerin Inger Støjberg hatte die rechte Partei 2022 neu gegründet. 2021 war Støjberg zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil sie Asylbewerberpaare unrechtmäßig getrennt hatte. Sie ist aufgrund ihrer besonders harten Haltung in der Einwanderungspolitik vor allem auf dem Land populär. Die Dänemarkdemokraten fordern eine bessere Gesundheitsversorgung und bessere Rahmenbedingungen für die dänische Wirtschaft.

Ebenfalls dem blauen Block zugeordnet werden die als rechts bis rechtspopulistisch geltenden "Neuen Bürgerlichen" (Nye Borgerlige, NB).

Die Partei Moderaterne will sich zwar keinem der beiden Lager zuordnen lassen – sie gilt jedoch als bürgerlich. Geführt wird die Partei vom ehemaligen dänischen Ministerpräsidenten und früheren Venstre-Chef Lars Løkke Rasmussen.

Klar dem sogenannten roten Block zuzuordnen ist dagegen die linke Sozialistische Volkspartei (Socialistisk Folkeparti, SF). Sie setzt sich für eine strikte Klimaschutzpolitik und einen Ausbau des Sozialstaats ein. Unter ihrer Spitzenkandidatin Pia Olsen Dyhr vollzog die Partei zuletzt eine außen- und verteidigungspolitische Wende. Die SF bekennt sich fortan klar zur Nato und steht auch zu den im Frühjahr 2022 beschlossenen höheren Verteidigungsausgaben.

Auch im Mitte-Links-Lager zu verorten ist Radikal Venstre (RV). Die Einheitsliste (Enhedslisten – De Rød-Grønne, RG) setzt sich unter anderem für eine massive Verbilligung des Öffentlichen Nahverkehrs ein.

Wichtige Wahlkampfthemen

Zentrale Themen des Wahlkampfs waren die Energiekrise sowie die Inflation. Diverse Parteien forderten Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Auch die Steuer- und Verkehrspolitik sowie der Klimaschutz spielten eine wichtige Rolle. Während etwa die Sozialdemokraten eine CO2-Steuer fordern, setzen Teile des bürgerlichen Lagers auf eine Senkung des Spitzensteuersatzes. Im Fokus der Debatten standen zudem die Migrations- und Asylpolitik, insbesondere das Drittstaatenabkommen mit Ruanda, sowie ein mögliches Hijab-Verbot an Schulen.

Dänemark im Fokus der Weltöffentlichkeit

Dänemark zählt mit knapp sechs Millionen Einwohnern zwar zu den einwohnerärmsten EU- und NATO-Staaten. In den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte das skandinavische Land zuletzt durch die Sabotageakte an den beiden Nord-Stream-Pipelines: Die Ende September durch Explosionen entstandenen Lecks befinden sich nahe der Ostsee-Insel Bornholm. Als Reaktion hat die NATO ihre Präsenz in Nord- und Ostsee mittlerweile verstärkt, um kritische Infrastruktur wie Pipelines oder Unterwasserkabel zu schützen.

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Das Mitte-links-Bündnis um die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat bei der Dänemark-Wahl in letzter Minute eine voraussichtliche minimale Mehrheit erhalten. Nach Auszählung aller im Land abgegebenen Stimmen kam das linksgerichtete Lager in der Nacht zum Mittwoch doch noch auf die aller Voraussicht nach zur Mehrheit reichenden 87 Sitze. Hochrechnungen des Senders TV2 hatten diese für Frederiksen wichtige Zahl bereits am späten Abend vorhergesagt, nach Auszählung letzter Stimmen sprang der Wert auch beim Sender DR von 86 auf 87 Mandate. Auf der Wahlparty der Sozialdemokraten gab es Jubel und Tränen des Glücks.

Für eine Mehrheit im dänischen Parlament in Kopenhagen sind 90 der 179 Sitze notwendig. 175 dieser Mandate werden in Dänemark vergeben, jeweils zwei in Grönland und auf den Färöer-Inseln, die beide offiziell zum Königreich Dänemark zählen. Die färöischen Mandate wurden bereits am Montag unter den beiden Blöcken aufgeteilt, das Ergebnis aus Grönland wurde am Mittwochmorgen gegen 5.00 Uhr erwartet. Bei den letzten sechs Wahlen gingen beide grönländischen Mandate an den roten Block – damit wird auch dieses Mal gerechnet. So dürfte das linke Lager am Ende auf genau 90 Mandate kommen.

Frederiksen kündigte an, noch am Mittwoch den Rücktritt ihrer Regierung bei Königin Margrethe II. einzureichen. Das sagte die 44-Jährige am frühen Mittwochmorgen vor Parteianhängern in Kopenhagen. Mit dem Rücktritt will Frederiksen den Weg zu einer neuen sogenannten Königinnenrunde freimachen. Dabei wird geschaut, welcher der Parteichefs die besten Chancen hat, sich auf die Suche nach einer neuen Regierung zu machen. Da die Sozialdemokraten erneut die mit Abstand stärkste Kraft geworden sind, dürfte Frederiksen diesen Sondierungsauftrag erneut erhalten. Sie könnte sich dann auf den Weg machen, die Möglichkeiten für eine für Dänemark seltene breite Regierung über die politische Mitte hinweg auszuloten.

Frederiksen hat im Wahlkampf mehrmals betont, eine breite Zusammenarbeit über die politische Mitte hinweg anzustreben. Eine rote Mehrheit dürfte ihre Verhandlungsposition in der Hinsicht entscheidend verbessern: Gehen die zwischen den Blöcken stehenden Moderaten von Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen oder Parteien des blauen Mitte-rechts-Blocks nicht auf ihre Forderungen ein, könnte sie mit der Aussicht großen Druck ausüben, stattdessen wieder auf ihren roten Block zu setzen. Dieser unterstützt Frederiksens bisherige sozialdemokratische Minderheitsregierung bereits heute im Parlament.

Die 44 Jahre alte Frederiksen hatte die Neuwahlen Anfang Oktober ausgerufen, nachdem eine der wichtigsten Unterstützerparteien ihrer sozialdemokratischen Minderheitsregierung ihr ein Ultimatum gesetzt hatte: Sie und ihre Regierung waren im Sommer in einem Untersuchungsbericht für die Entscheidung kritisiert worden, im November 2020 alle gut 15 Millionen Nerze im Land töten zu lassen, weil man damals Corona-Mutationen fürchtete.

Allerdings hatte die Regierung gar keine rechtliche Grundlage für die Entscheidung. Nach der Veröffentlichung des Berichts verlangte die sozialliberale Partei Radikale Venstre, dass Frederiksen Neuwahlen ausruft, sonst werde man einen Misstrauensantrag im Parlament stellen – eigentlich hätte sie noch bis Juni kommenden Jahres Zeit für die Wahlen gehabt. Ohnehin hatte es immer wieder Kritik gegeben an einer Machtkonzentration in der sozialdemokratischen Regierungszentrale – so kündigte Radikale Venstre zwar nach der Ausrufung der Neuwahlen an, Frederiksen als Ministerpräsidentin wieder unterstützen zu wollen – aber nicht mehr in einer Einparteienregierung.

In Kopenhagen regieren zwar oft Minderheitsregierungen, aber sie formen sich  aus einer oder mehreren  Parteien aus dem Block, der die Mehrheit der Mandate im Folketing besitzt. Schon bei der Ausrufung der Neuwahlen warb Frederiksen allerdings dafür, dieses alte Muster zu durchbrechen, und eine breite Regierung der Mitte zu bilden. Sie führte zur Begründung die Krisen dieser Zeit an und die große Unsicherheit, die nach einer neuen Form der Regierung verlangten. Der russische Überfall auf die Ukraine beschäftigt auch die Dänen sehr, die Inflation ist sprunghaft angestiegen, und die Explosionen der Rohre der Nord-Stream-Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm haben das Land aufgewühlt. Zudem war im Wahlkampf die Klimakrise den Dänen wichtig, die Rente und die Probleme in der Gesundheitsversorgung.

Die großen Parteien des blauen Blocks hatten die Avancen von Frederiksen schnell zurückgewiesen, nur Rasmussen hatte sich nicht festlegen wollen. Als er im Wahlkampf 2019 noch auf aussichtslosem Posten sein Amt als Ministerpräsident gegen die damals favorisierte Herausforderin Frederiksen verteidigen wollte, hatte er auch mal eine Regierung der Mitte vorgeschlagen. Das war damals von den Sozialdemokraten abgelehnt worden. Nun dürften Rasmussens Moderate in den kommenden Tagen von beiden Blöcken heftig umworben werden. Im Wahlkampf hatte die Partei ebenfalls für eine breite Regierung der Mitte geworben, ohne allerdings zu sagen, wer diese führen soll.

Eine Partei, die von 2015 bis 2019, Rasmussens Regierung noch unterstützt hatte, schaffte es am Dienstag nur noch mit Mühe über die Zweiprozenthürde in Parlament: Die rechtspopulistische Volkspartei kam auf 2,8 Prozent. Sie hatte über zwei Jahrzehnte erheblichen Einfluss auf die Verschärfung der Asyl- und Integrationspolitik in Dänemark, die heute weitgehend Konsens ist in Kopenhagen.

2015 waren sie mit gut 21 Prozent noch zweitstärkste Kraft im Land geworden. Die neue rechtspopulistische Partei der Dänemarkdemokraten kam nur gut fünf Monate nach ihrer Gründung am Dienstag schon auf knapp sieben Prozent der Stimmen.