Eine Affäre haben deutlich mehr Leute, als man denken würde. Was genau ist so verführerisch daran? Und kann aus der heimlichen Liebelei mehr werden?
Eine Affäre ist nicht automatisch unmoralisch. Schließlich gibt es nicht nur diejenigen, die fremdgehen. Eine Affäre ist auch, wenn zwei Singles keine feste Beziehung wollen, sondern nur unverbindlichen Spaß. Für diese Variante, auch Freundschaft plus oder Friends with benefits genannt, gibt es eigene Spielregeln.
Was aber, wenn eine Affäre mit Untreue einhergeht? Dann wird die ganze Sache deutlich komplizierter, schmerzlicher und unfairer. Der verletzte, hintergangene Partner, der Liebhaber, der vielleicht auf mehr hofft, die Gewissensbisse und moralischen Vorwürfe, die man selber hat. Wirklich Schönreden kann man da wenig.
Aber so empört die meisten Menschen auf Fremdgehen auch reagieren: Dass eine Affäre nur charakterschwachen Menschen passiert, ist ein Irrtum. Fragt man nach, merkt man: Sehr viele gehen fremd. Die genauen Zahlen liegen natürlich im Dunkeln.
Mal heißt es 39 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer (Umfrage Glamour) sind schon einmal fremdgegangen. Eine andere Umfrage kommt auf 25 Prozent der Männer und 31 Prozent der Frauen (eDarling.de).
Über einen Kamm scheren kann und sollte man diese Personen nicht. Nicht immer passieren Affären aus Langeweile oder aus Lust auf Aufregung und Sex. Sogar Menschen, die in einer glücklichen Beziehung stecken, können sich in eine Affäre verstricken. Weil die Versuchung groß ist oder weil man sich schlichtweg verliebt hat.
Im Video: Ein Partner ist untreu - wie geht es jetzt weiter?
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Der Reiz des Verbotenen oder Ablenkung?
Dass Affären gerade heute einen besonderen Reiz ausüben, mag wohl auch daran liegen, dass wir ständig auf der Suche nach "schneller, höher, weiter" sind. Da sind Partnerschaften schnelllebiger, eine lebenslange Ehe eine absolute Rarität. Man hat Angst etwas zu verpassen, sein Leben nicht genug auszukosten. Da passt die wild-romantische Affäre gut ins Bild. Plötzlich wird man wieder beachtet, alles ist neu und aufregend.
Stress, Alltag und Sorgen sind für ein paar Stunden vergessen, wenn man seinen Liebhaber trifft. Auch wichtig: Die Heimlichkeiten und das Verbotene an der Affäre sorgen nicht nur für ein schlechtes Gewissen, sondern - so unfair das auch klingt - für Thrill, Adrenalin und einen Hauch von Abenteuer.
Nicht immer ist eine Affäre auch das Ende der Beziehung
Noch eine andere Erklärung wird oft genannt, wenn jemand fremdgeht: Wenn man einen anderen Menschen anziehend findet, muss irgendwas in der Partnerschaft fehlen bzw. nicht stimmen. Aber ist das wirklich so leicht?
Letztlich - das ergaben Umfragen der Dating-Website Victoria Milan unter 3874 Usern - trennt sich die deutliche Mehrheit der Fremdgänger nicht für die neue Bekanntschaft. Neun von zehn Befragten blieben in ihrer alten Beziehung. Und nur einem Drittel ist überhaupt die Idee gekommen, ernsthaft für die Affäre Schluss zu machen. An einer miserablen Beziehung kann es also nicht zwingend liegen. Zumindest entpuppt sie sich im Gegensatz zur neuen Bekanntschaft als sehr stabil.
Der Leidtragende einer Affäre ist also nicht nur der betrogene Partner, sondern letztlich auch der Liebhaber. Denn der hat meist keine Ahnung wie schlecht seine Chancen stehen. Mehr als die Hälfte der liierten Fremdgänger lügt ihre Affäre an, indem sie einen Neuanfang verspricht.
48 Prozent der Befragten erwähnt wohlweislich erst gar nicht, den Partner verlassen zu wollen. Und das, obwohl ganze 88 Prozent der Liebhaber genau das erwarten. Kein Wunder, dass bei diesem Ungleichgewicht schnell wieder Schluss ist mit der lockeren Affäre. Sobald es kompliziert und verbindlicher wird, macht man sich aus dem Staub. Die meisten Affären halten dementsprechend nicht länger als sechs Monate, maximal zwei oder drei Jahre.
Kann aus einer Affäre die große Liebe werden?
Auch Sigrud Vedal, Gründer von Victoria Milan, sieht in der Affäre nicht unbedingt den Wunsch nach einem Neuanfang mit dem Lover: "Stress abbauen, kleines Abenteuer, etwas Leidenschaft - man kann es nennen wie man möchte, aber Menschen entscheiden sich für einen Seitensprung, weil sie für kurze Zeit von einer unglücklichen Ehe oder Beziehung flüchten wollen - nicht für immer."
Sollte man sich wirklich für die Affäre trennen, steht die neue Beziehung meist unter keinem guten Stern. Denn fällt der Reiz des Verbotenen weg und der Alltag beginnt, sind oft auch die großen Gefühle passé. Zumal beide auch voneinander wissen, dass der andere schon einmal untreu war. Sicherlich keine gute Vertrauensbasis für eine neue Liebe.
Warum gehen Männer fremd?
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Hier die wichtigsten Anzeichen für Untreue.
Konrad S. war in Liebesdingen immer schon ein Draufgänger, der vor seiner Heirat, wie er sagt „nichts anbrennen“ ließ. Selbst als Ehemann hat der 45-Jährige immer wieder Affären. Die aktuelle, auf die er ebenso wenig wie auf seine Ehe verzichten will, dauert bereits gut drei Monate. „So wie es läuft, ist es sehr gut“, findet der Spitzenmanager. Ein wenig anders die Situation der 36-jährigen Labormedizinerin Anna H. Sie hat sich immer schon gut mit ihrem nur wenig jüngeren Kollegen verstanden. Auf einer Betriebsfeier vor einem Jahr „funkte“ es, obwohl beide fest liiert waren. „Seither haben wir eine Affäre“, erklärt Frau H. „Von meinem Mann möchte ich mich aber nicht trennen.“ Sie liebe ihn immer noch, sagt sie, obwohl das Sexualleben zu wünschen übrig lasse.
Überhöhte Erwartungen
Ein weiterer, folgenschwerer Irrtum: Sex mit Liebe gleichzusetzen. „Viele denken, sie werden weniger geliebt, wenn der Sex mit dem Partner im Lauf der Zeit weniger wird“, beobachtet Wille. Diese falsche Überzeugung treibt so manchen in die Arme eines oder einer anderen.
Angst vor Nähe
Aufgrund ihrer Persönlichkeit erliegen manche Menschen dem Reiz des Neuen eher als andere. Jene, die (unbewusst) Angst vor Nähe haben, zählen dazu. Mit einem Dritten im Bund fühlt man sich sicherer, „man hofft, die Nähe besser kontrollieren zu können“, verdeutlicht Claudia Wille. Durch eine Verkettung ungünstiger Umstände kann auch konfliktscheuen Menschen eine Affäre zupasskommen: „Ihnen gelingt es oft nicht, das in der Beziehung anzusprechen, was sie stört“, erläutert die Therapeutin den Hintergrund. „In der Folge fühlen sie sich schlecht behandelt oder unverstanden und setzen Fremdgehen als Trost oder heimliche Rache ein.“ Selbstunsicherheit gilt ebenfalls als (Seiten-)Sprungbrett: „Personen mit einem schlechten Selbstwertgefühl finden in einer Affäre Bestätigung für ihre Attraktivität“, so Wille. „Man weiß auch, dass Männer mit hohem Status und Einkommen häufiger fremdgehen“, setzt die Paartherapeutin fort. „Vielfach sind das egozentrische Menschen, die sich quasi das Recht dazu herausnehmen, weil sie überzeugt sind, dass ihnen das zusteht.“ Der von sich selbst überzeugte Konrad S. zählt dazu. „Der Mythos, dass Männer von Natur aus untreu sind, liefert ein zusätzliches Argument.“ Bei Frauen gehen jene häufiger fremd, „die ihren Partnern beispielsweise bildungsmäßig überlegen sind“, beobachtet die Expertin. Das sexuelle Abenteuer außerhalb der Beziehung sucht außerdem jene wachsende Gruppe von Menschen, die „nicht richtig erwachsen werden“, so Wille. „Sie wollen alles haben, und das am besten sofort.“ Langeweile veranlasst sie, sich nach einem Kick umzusehen – warum nicht durch eine Affäre?
Hausgemachtes Defizit
Nicht so oft wie gemeinhin vermutet, aber doch kann die Ursache natürlich auch in der Partnerschaft liegen. „Das ist etwa dann der Fall, wenn das Paar zwar im Alltag wunderbar funktioniert, aber schon lange nichts mehr für die Liebesbeziehung, für Nähe und Erotik tut“, erläutert die Therapeutin. „Mangelt es an Zuwendung oder Aufmerksamkeit, entsteht ein Defizit. Trifft man dann den oder die Richtige, kann es leicht zum Seitensprung kommen.“ Anna H. kann ein Lied davon singen: In ihrer Ehe vermisste sie schon lange, als Frau begehrt zu werden, sodass sie durch ihre Affäre richtig aufblüht. „Es ist ein häufiger Grund für eine langfristige Affäre, wenn eine Beziehung schon lange unbefriedigend ist“, bestätigt Claudia Wille. Weil einen mit dem Partner z. B. kleine Kinder, eine gemeinsame Firma oder ein Schuldenberg verbindet, trennt man sich nicht – und wählt den Seitensprung.
Ein Ungleichgewicht in der Partnerschaft ist ebenfalls ein potenzieller Stolperstein. Beispiele: Universitätsdozentin Renata ist ihrem Ehemann in Sachen Karriere weit überlegen; Architekt Simon wiederum verhält sich seiner deutlich jüngeren Partnerin gegenüber in allen Belangen dominant und bevormundend: „All das kann dazu führen, dass der oder die Unterlegene den Machtkampf auf der Ebene des Fremdgehens austrägt“, sagt Wille. Oder ein Partner verhält sich extrem klammernd. Dann wird der Seitensprung für den anderen quasi zum Befreiungsschlag, durch den man sich Raum verschafft.
Stabilität versus Abwechslung
Fakten zum Fremdgehen:
Beziehungskiller Nummer eins
Stand 11/2014